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Zukunft Euro

Diskussionsbeitrag von Gertrude Tumpel-Gugerell, Mitglied des Direktoriums der EZB
anlässlich des Symposiums „Die Zukunft hat schon begonnen“im Übersee-Club
Hamburg, 29 Oktober 2010

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Frau Prof. Randzio-Plath,

„Trotz ihrer internen Probleme hat die Europäische Gemeinschaft gerade in ökonomisch schwierigen Zeiten erstaunliche Kraft bewiesen. Deshalb braucht auch niemand seine Geduld mit Europa zu verlieren.“

Mit diesen Worten hat Helmut Schmidt im Jahr 1978 die Erinnerungen eines großen Europäers, Jean Monnet, in Deutschland vorgestellt. Im selben Jahr hat er gemeinsam mit Valéry Giscard d’Estaing mit dem EWS das Kernstück der Währungsunion geschaffen. Und er schreibt weiter:

„Die Geschichte hat einen langen Atem. Das epochale Werk der Einigung Europas braucht seine Zeit.“

Nichts ist aktueller als diese Worte, wenn wir sehen, wie derzeit um das künftige wirtschaftspolitische Führungsmodell in Europa gerungen wird.

Wir sind heute zusammengekommen um über die Zukunft zu diskutieren und eine Europäerin aus Hamburg zu ehren, die sich in den entscheidenden Jahren der Vorbereitungen und der Einführung des Euro große Verdienste in ihren Funktion als Vorsitzende des Wirtschafts- und Finanzausschusses im Europaparlament erworben hat – Prof. Dr. Christa Randzio-Plath. Ich freue mich dass ich heute zu den Gratulantinnen gehöre.

In meiner langjährigen Tätigkeit als Direktoriumsmitglied der EZB und der Oesterreichischen Nationalbank habe ich mich dafür eingesetzt, dass der Euro eine stabile Währung wird. Es war eine groβe Herausforderung, die Menschen von den Vorteilen einer gemeinsamen Währung zu überzeugen.

Welche Erfahrungen haben wir mit dem Euro gesammelt, und was ist zu tun, um die Stabilität des Euro auch in Zukunft zu sichern?

Das öffentliche Meinungsbild hat sich im Laufe der Jahre stark gewandelt. Etwa 10 Jahre nach der Einführung des Euro (dem Zeitpunkt der letzten verfügbaren Umfrage) sind nach Umfragen der Europäischen Kommission drei von vier Deutschen der Meinung, dass der Euro eine gute Sache ist. Nur jeder Sechste Deutsche steht dem Euro ablehnend gegenüber. Unter den Ländern des Eurogebiets nehmen die Deutschen mit ihren Einschätzungen eine Mittelposition ein.

Übrigens fällt die Zustimmung zum Euro sehr viel deutlicher aus, wenn man die Umfrage lediglich auf Jugendliche und jüngere Menschen bezieht. So finden in der Altersgruppe zwischen 17 und 24 Jahren, vier von fünf Menschen, dass der Euro eine gute Sache ist.

Der Euro hat uns eine Reihe von Vorteilen beschert:

  • Der Euro hat sich als Motor der Europäischen Integration erwiesen. Der Erfolg des Euro hat weitere EU Staaten dazu veranlasst den Euro ebenfalls einzuführen. Am 1. Januar 1999 gründeten 11 Länder die WWU; am 1. Januar 2011 wird mit Estland bereits das 17. EU Mitgliedsland der Währungsunion beitreten, und der Prozess der Euroraum-Erweiterung wird sich auch danach fortsetzen. Die Währung ist jedoch nur das Mittel, um eine weitere Integration der Wirtschaft zu erreichen und sie veranlasst die Mitgliedstaaten, die Wirtschaftspolitik – den zweiten Pfeiler der WWU – verstärkt als gemeinsame Angelegenheit zu behandeln.

  • Der Euro ist so stabil wie die Deutsche Mark. Die EZB hat sich mit ihrer stabilitätsorientierten Geldpolitik einen Namen gemacht. Die Inflationsrate im Eurogebiet, gemessen an den Konsumentenpreisen (HVPI), lag in den ersten 12 Jahren durchschnittlich knapp unter 2% (aktuell 1,98% seit Beginn der WWU). Trotz schwieriger Umstände für die Geldpolitik, wie beispielsweise die jüngste Finanzkrise und die vorausgegangenen Verwerfungen der Öl- und Rohstoffpreise, blieben die Inflationserwartungen nahe und zumeist unter der angepeilten 2% Marke. Dabei haben sich die regionalen Unterschiede bei Inflation und Wachstum in Gröβenordnungen eingependelt, die in etwa vergleichbar mit den regionalen Unterschieden in den Vereinigten Staaten sind.

  • Der Euro trägt zur Finanzmarktintegration in Europa bei. Durch die Einführung des Euro wurden die Transaktionskosten innerhalb des Eurogebiets nachhaltig gesenkt. Es wurde ein vollständig integrierter Geldmarkt geschaffen. Auch sind die grenzüberschreitenden Wertpapieranlangen im Eurogebiet deutlich angestiegen. Ein großer Kapitalmarkt ist entstanden und hat damit für bessere Finanzierungsbedingungen für Unternehmen und Haushalte gesorgt.

  • Der Euro hat sich als Katalysator für strukturelle Reformen in den Ländern des Eurogebiets erwiesen. Eine Reihe von Reforminitiativen wurde eingeleitet. Mitgliedstaaten lernen voneinander und gestalten ihre Wirtschafts- und Strukturpolitik auch mit Blick auf die jeweiligen Maßnahmen der anderen Mitgliedsstaaten. Nicht genug werden Sie sagen – aber immer mehr.

  • Der Euro hat einen wichtigen Beitrag zur Krisenbewältigung geleistet. Ohne den Euro wäre es im Europäischen Währungsgefüge im Zuge der Finanzkrise zu weitaus stärkeren Verwerfungen gekommen. Erfahrungen aus der Vergangenheit in Europa belegen, dass starke Wechselkursschwankungen regelmäβig hohe realwirtschaftliche Anpassungskosten nach sich ziehen. Hier hat der Euro einen deutlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität geleistet.

Lassen Sie mich nun auf die Frage eingehen was zu tun ist, um die Stabilität des Euro auch in Zukunft zu sichern.

Ein Grundpfeiler der Wirtschafts- und Währungsunion ist die stabilitätsorientierte Geldpolitik der EZB. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum. In der Finanzkrise hat der EZB-Rat bewiesen, dass er jederzeit notwendige Maßnahmen beschlieβen kann und so auch einen wichtigen Beitrag zur Finanzstabilität leistet. Das rasche Eingreifen der EZB hat verhindert, dass Liquiditätsengpässe und Vertrauensverlust das Funktionieren des Finanzsystems noch stärker beinträchtigen. Da die Finanzkrise eine Reihe von Ursachen hat, kann die Geldpolitik der EZB nur im harmonischen Zusammenspiel mit den nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitiken erfolgreich sein. Die Regierungen verabschiedeten umfangreiche Maßnahmen für den Finanzsektor und Konjunkturprogramme zur Dämpfung des realwirtschaftlichen Abschwungs. Und es ist gelungen: zwei Jahre nach der Krise gibt es wieder mehr Vertrauen in die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung.

Damit wir die Stabilität des Euro auch in Zukunft sichern können, ist noch einiges zu tun. Drei Kernbereiche erscheinen mir maβgeblich für den Erfolg des Euro zu sein:

  1. eine solide Fiskalpolitik

  2. ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum

  3. ein stabiles Finanzsystem

Zu 1 (solide Finanzpolitik): Als Folge der Finanzkrise ist der Schuldenstand in der EU beträchtlich angestiegen. Haushaltsprobleme in einzelnen Mitgliedsländern können den Euro strukturell schwächen. Es ist daher vordringlich, dass auf europäischer Ebene die Haushaltskonsolidierung den Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts folgt. Dies bedeutet erstens, dass realistische, aber auch hinreichend ambitionierte Fristen zur Korrektur übermäßiger Defizite in den Euro-Ländern gesetzt werden müssen. Und zweitens, dass die Regierungen der einzelnen Länder ihre Strategie für die Haushaltskonsolidierung sorgfältig ausarbeiten und diese durch genau spezifizierte Maßnahmen untermauern müssen.

Es bedeutet auch, wie der gestrige Europäische Rat zeigt, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt wirksamer gemacht werden muss. Um Verwerfungen, wie wir sie in den letzten Monaten erlebt haben zu verhindern, sind ambitionierte Reforminitiativen mit dem Ziel von mehr Transparenz, längerfristiger Orientierung und strikter Einhaltung von Regeln hinsichtlich nachhaltiger Finanzpolitik, zu begrüβen.

Zu 2 (nachhaltiges Wirtschaftswachstum): Stabile Preise sind eine Grundvoraussetzung für nachhaltiges Wachstum und zusätzliche Arbeitsplätze. Die letzten zehn Jahre haben gezeigt, dass die Preisstabilität mit Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum einhergeht. Allerdings haben in den letzten Jahren verschiedene Regionen des Euroraums Wachstum vor allem mit Hilfe des Finanzsektors gefördert. Produktivitätswachstum wurde vernachlässigt und die Arbeitslosigkeit ist gestiegen. Hier sind Wirtschaftsreformen nötig, die Wachstum und Beschäftigung nachhaltig fördern. Derartige Reformen müssen darauf abzielen die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und die Chancen am Arbeitsmarkt zu verbessern.

Mehr Investitionen in Ausbildung und Forschung sind notwendig. Denn die beste Investition in die Zukunft ist die Investition in die Ausbildung der Menschen. Am Qualifikationsgrad der Bevölkerung lässt sich die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft messen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass verstärkt in die Verbesserung der Ausbildungssysteme, in Forschung und Entwicklung und in neue Technologien investiert wird.

Zu 3 (stabiles Finanzsystem): Die Finanzkrise hat die Bedeutung systemischer Risiken sichtbar gemacht. Die Analyse von Gefahren, die sich aus der wechselseitigen Verstärkung von Einzelrisiken für die Stabilität des Finanzsystems und für die Volkswirtschaft insgesamt ergeben können, war ungenügend. Daher sind auch auf diesem Gebiet Reformen erforderlich, die zu einer verbesserten Regulierung und Überwachung führen. Gelingt es, rechtzeitig konkrete Maßnahmen zur Risikobegrenzung umzusetzen, sollte sich die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems erhöhen.

In der Reform der Finanzmarktregulierung wurde bereits einiges erreicht. Besonders mit der Einigung über die neuen Finanzmarktregelungen „Basel III“ des Baseler Ausschusses. Doch vieles bleibt noch zu tun. Auf dem Gebiet der Überwachung sind wichtige Reformen auf den Weg gebracht worden. Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB) wird zukünftig die Aufgabe übernehmen, EU-weit Systemrisiken zu beurteilen und gegebenenfalls Risikowarnungen abzugeben sowie Empfehlungen auszusprechen. Ein Europäisches Finanzaufsichtssystem ist geschaffen worden, das europäische Behörden für Finanzmärkte, Banken und Versicherungen umfasst und eng mit dem Ausschuss für Systemrisiken zusammenarbeiten wird.

Meine Damen und Herren, nur wenn wir auf allen drei Gebieten Fortschritte machen - der soliden Fiskalpolitik, dem nachhaltigen Wirtschaftswachstum und dem stabilen Finanzsystem - kann die EZB die Stabilität des Euro auch morgen sicherstellen. Dann wird sich die Erfolgsgeschichte des Euro auch in Zukunft fortsetzen.

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