Die Finanzmarktunion als Element einer stabilen Währungsunion?
Rede von Jörg Asmussen, Mitglied des Direktoriums der EZB,
Handelsblatt Jahrestagung „Banken im Umbruch“,
Frankfurt am Main, 4. September 2012
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ein Satz in der Schlusserklärung des Euro-Gipfels vom 28. Juni dieses Jahres sorgte für Aufhorchen und viel Diskussionsstoff über den Sommer – ich zitiere: „ Sobald unter Einbeziehung der EZB ein wirksamer einheitlicher Aufsichtsmechanismus für Banken des Euro-Währungsgebiets eingerichtet worden ist, hätte der ESM nach einem ordentlichen Beschluss die Möglichkeit, Banken direkt zu rekapitalisieren.“
Hier wurde der Anfang einer Finanzmarktunion beschlossen. Als Beitrag zu dieser Diskussion möchte ich im Folgenden gerne drei Aspekte aufgreifen:
Wo stehen wir bei der Finanzmarktregulierung? Wie stellt sich aktuell die Lage an den Finanzmärkten dar?
Warum ist eine Finanzmarktunion notwendig geworden? Wie soll diese aussehen?
Welche Rolle kann der EZB innerhalb der neuen Aufsichtsarchitektur zukommen, welche Bedingungen müssen erfüllt sein?
Wo stehen wir bei der Finanzmarktregulierung? Wie ist die Lage an den Finanzmärkten?
Seit 2008 haben sich die Staats- und Regierungschefs der G20 wiederholt zu einem gemeinsamen Vorgehen für mehr und bessere Regulierung geeignet. Es herrschte Konsens über eine zentrale Lehre der Krise: dass alle systemisch relevanten Institute, Märkte und Instrumente angemessen reguliert und beaufsichtigt werden sollten. Die Europäer verstärkten ihre Bemühungen, ein so genanntes „Single Rulebook“ zu erarbeiten, durch eine Vielzahl von Verordnungen und Richtlinien, über ein Dutzend seit Krisenbeginn. Dass deren Benennung meist eine veritable Buchstabensuppe ist – CRD IV, MiFID, EMIR, usw. ist ein Indiz, dass die Materie ist hochkomplex ist.
Die ersten drei G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Washington, London und vor allen Pittsburgh haben in der Finanzmarktregulierung weit überdurchschnittliche Ergebnisse hervorgebracht, andere Gipfel haben in anderen Bereichen Erfolge erzielen können, zum Beispiel der Gipfel in Seoul bei der IWF-Reform. Inzwischen hat der G20-Prozess auch bezogen auf die Finanzmarktregulierung an Fahrt verloren. Wir müssen uns bemühen, den verlorengegangenen „drive“ zurückzugewinnen. Die Häufung von zumindest individuellem Fehlverhalten in großen Finanzinstitutionen zeigt, dass eine scharfe Regulierung notwendig ist, weil entweder interne Kontrollmechanismen oder die externe Aufsicht nicht funktioniert haben. Ich bin davon heute mehr überzeugt als je zuvor. Es gilt grundsätzlich in Rechtsstaaten die Unschuldsvermutung, aber wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten sollten, werden die Auswirkungen der LIBOR- Manipulationen bei weitem noch nicht absehbar sein.
Das Monitoring des Financial Stability Board (FSB) zeigt, dass viele nationale Gesetzgeber angesichts der Fülle neuer Finanzmarktgesetzgebung überlastet sind und in der Umsetzung zeitlich hinterherhinken. Auch die Europäische Union sieht sich mit der Herausforderung „gleiche Regeln – ungleiche Umsetzung“ konfrontiert. Trotz der großen Bemühungen der Europäischen Bankenbehörde (EBA) leidet der Ansatz des „Single Rulebooks“ unter einer uneinheitlichen Umsetzung. Die neue Gesetzgebung – beispielsweise die Richtlinie und Verordnung zu verbesserten Eigenkapitalanforderungen – überlässt den nationalen Aufsichtsbehörden einen erheblichen Ermessensspielraum.
Zahlreiche der neuen Finanzmarktregelungen sind sehr komplex. Zu Recht kann man die Frage stellen, ob die hohe Komplexität der Regulierung nicht zu Intransparenz und Unsicherheit bei Marktteilnehmern führt, und folglich in Bezug auf die Finanzmarktstabilität das Gegenteil vom dem erreicht, was erreicht werden sollte. Wären einfachere Regeln nicht die bessere Alternative? Dieser Frage ist zum Beispiel Andrew Haldane von der Bank of England in einen Research Paper nachgegangen, das er vor wenigen Tagen in Jackson Hole vorgestellt hat. Ich nutze im Folgenden kurz seine Erkenntnisse.
Wenn man den Seitenumfang der Regulierung als Maßgabe für die Komplexität der Regelungen nimmt, was sicher eine unzulässige Vereinfachung ist, aber einen guten ersten Anhaltspunkt gibt, dann stellt es sich wie folgt dar: Basel 1 hatte 30 Seiten. Basel 2 schon 350 Seiten und Basel 3 hat 620 Seiten. Dazu kommen tausende Seiten regionaler und/oder nationaler Umsetzung. Haldane kommt mittels empirischer Analysen und nicht nur durch Seiten-Zählen zu dem Ergebnis, dass einfache Regeln nicht weniger effektiv seien als komplexe.
Ich weiß natürlich, dass einfachere Regeln oft die sogenannte Einzelfallgerechtigkeit verletzen. Ich weiß natürlich auch, dass die Komplexität der Regeln oft einer erfolgreichen Lobbyarbeit geschuldet ist, um für ein spezielles Geschäftsmodell eine passgenaue Lösung zu finden. Aber ich finde die Grundfrage von Andrew Haldane richtig, und werde weiter darüber nachdenken.
Aktuell stellt sich die Lage an den Finanzmärkten wie folgt dar: Wir beobachten im Euroraum einen Prozess der Fragmentierung des gemeinsamen Finanzmarktes, es findet eine Renationalisierung statt. Beispielsweise ist der Anteil der grenzüberschreitenden Kredite auf den Geldmärkten zwischen Mitte 2011 und heute von 60 Prozent auf 40 Prozent gesunken. In mehreren Ländern haben die ausländischen Bankeinlagen das niedrigste Niveau seit Anfang 2008 erreicht. Banken nutzen zunehmend inländische Sicherheiten beim Zugang zu EZB-Fazilitäten.
Der Kern dieses – bildlich gesprochen – Wiederaufbaus der Schlagbäume ist die starke finanzielle Verflechtung zwischen einzelnen Staaten und ihren Bankensystemen. Fehlendes Vertrauen gegenüber den Banken in den betroffenen Mitgliedsstaaten führt außerdem zu einer starken Abhängigkeit einiger Bankensysteme von Zentralbankliquidität.
Diese Abwärtsspirale hat entscheidend dazu beigetragen, dass sich die Lage auf den Finanzmärkten im Euroraum seit Mitte letzten Jahres noch einmal verschlechtert hat. Die Risikoprämien von Staatsanleihen spiegeln mittlerweile nicht nur das Insolvenzrisiko einzelner Staaten wider, sondern sogar ein Wechselkursrisiko, welches es in einer Währungsunion theoretisch nicht geben dürfte. Die Märkte preisen also ein Auseinanderbrechen des Euroraums ein.
Für eine Währungsunion sind solche systemischen Zweifel nicht akzeptabel. Nur eine Währung, an deren Bestand es keinen Zweifel gibt, ist eine stabile Währung. Denn diese Zweifel haben folgenschwere Auswirkungen für die gemeinsame Geldpolitik: ein geldpolitisches Signal, wie es die EZB beispielsweise mit der Zinssenkung im Juli gesetzt hat, kommt uneinheitlich oder zum Teil überhaupt nicht in der Realwirtschaft an. Die EZB hat gestern Daten veröffentlicht, die das eindrucksvoll zeigen: So zahlen kleine Unternehmen in Spanien für einen Kredit bis zu 1 Mio EUR und einer Laufzeit von mehr als einem und bis zu 5 Jahren derzeit 6,5% Zinsen, so viel wie noch nie seit 2008. In Italien sind es aktuell 6,24%, während der gleiche Unternehmenskredit in Deutschland für rund 4% zu haben ist und das bei gleichem Leitzins.
Der Leitzins, der eigentlich „leiten“ soll, tut dies nur noch eingeschränkt.
2. Warum ist eine Finanzmarktunion notwendig geworden? Wie soll diese aussehen?
Trotz der Fragmentierung der europäischen Finanzmärkte, die wir jüngst beobachten und die ich gerade beschrieben habe, hat die Entwicklung seit der Bankenkrise 2007/2008 in Europa vor allem eines gezeigt: der Bankensektor ist in Europa vielfach so eng mit der Staatsfinanzierung verwoben, dass Probleme in dem einen Bereich zu Ansteckungseffekten in dem jeweils anderen Bereich führen können, bis beide wanken und sich zum gesamteuropäischen Problem entwickeln können, das innerhalb eines Mitgliedsstaates nicht mehr zu lösen ist, weil die finanziellen Mittel fehlen und es strukturelle Schwächen gibt.
Die Problemfälle sind Ihnen bekannt: In Irland sprang der Staat dem überdimensionierten Finanzsektor zur Seite und geriet daraufhin selbst ins Straucheln; ähnliches erleben wir gerade in Zypern.
In Griechenland haben wir die umgekehrte Situation vorgefunden. Marode Staatsfinanzen belasten auch die heimischen Bankbilanzen schwer, weil die Abnehmer für griechische Staatsanleihen vor allem die griechischen Banken waren. In der Folge ist wiederum die Staatsfinanzierung erschwert, weil die heimischen Banken die Anleihen nicht mehr aufnehmen können.
Spanien wurde in der Finanzmarktkrise vielfach gelobt, weil die Aufsicht dort erfolgreich den Flächenbrand durch überkomplexe, strukturierte Produkte verhindern konnte. Nicht toxische assets wurden zum Problem für spanische Banken, sondern das Platzen einer klassischen Immobilienblase und vielfach darin verstrickt waren spanische Sparkassen, deren Stützung jetzt die Regionen und den spanischen Zentralstaat schwer belastet.
Neben dieser verhängnisvollen Verzahnung von Banken- und Staaten hat die Krise die allgemeine Frage aufgeworfen, welches Gewicht Überlegungen zur Finanzmarktstabilität in Europa haben, wenn der Aufseher Teil der nationalen Exekutive und damit in erster Linie gegenüber einem nationalen Parlament und letztlich gegenüber dem nationalen Steuerzahler verantwortlich ist.
Wir haben hier in den vergangenen Jahren sehen können, dass Partikularinteressen in Konflikt mit dem Interesse an Finanzstabilität in Europa geraten können.
Wenn die Finanzmarktstabilität in ganz Europa gefährden ist, dann sollten wir eine gesamteuropäische Antwort hierauf finden, und diese Antwort lautet: wir sollten eine Finanzmarktunion schaffen.
Das bringt mich zu der Frage: Wie sähe eine solche Finanzmarktunion aus? Die neue Architektur sollte am Ende des Prozesses folgende drei Säulen aufweisen:
Erstens, eine europäische Bankenaufsicht, die über ausreichende Instrumente und Kompetenzen verfügt. Sie muss eine einheitliche Umsetzung des europäischen Regelwerks sicherstellen. Diese Bankenaufsicht muss auch in der Lage sein, nicht lebensfähige Institute zu schließen und zur Abwicklung zu übergeben.
Zweitens, eine europäische Abwicklungsbehörde und ein einheitliches Regelwerk zur Abwicklung instabiler systemrelevanter Banken. Diese Behörde muss im Notfall auf einen durch die Finanzindustrie finanzierten Fonds zurückgreifen können. Das verhindert dass nationale Haushalte und Steuerzahler belastet werden.
Drittens sollte die Einlagensicherung auf europäischer Ebene organisiert oder zumindest weiter harmonisiert werden.
Alle drei Elemente bedingen sich gegenseitig. Man stelle sich einen Hocker mit drei Beinen vor: Fehlt ein Bein, kippt der Hocker um. Die Bankenaufsicht kann nur effektiv und sinnvoll agieren, wenn sie auch über vollständige Informationen, z. B. zur Einlagensicherung verfügt und sie kann auch nur dann effektiv handeln, wenn sie beispielsweise die Abwicklung eines Instituts anordnen kann. Was nützt ein Brandmelder, wenn im Ernstfall keine Feuerwehr ausrücken kann, oder die Feuerwehr nicht weiß, was eigentlich brennt.
Darüber hinaus sollte geprüft werden, die Zuständigkeit der Finanzmarktunion auf weitere Bereiche auszuweiten. Ich denke dabei insbesondere an zentrale Marktinfrastrukturen wie zentrale Clearinghäuser (Central Counterparties – CCPs).
Die Schaffung einer einheitlichen Bankenaufsicht für den Euroraum ist eine unbedingte Voraussetzung für eine direkte Rekapitalisierung der Banken durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Dieses Junktim zwischen Mittelverwendung und Kontrolle ist unverzichtbar.
3. Welche Rolle kommt der EZB innerhalb der neuen Aufsichtsarchitektur zu? Welche Bedingungen müssen erfüllt sein
Doch welche Rolle kommt nun der EZB innerhalb der neuen Aufsichtsarchitektur zu? In einer Woche, am 12. September, wird die Europäische Kommission ihre Gesetzgebungsvorschläge für eine europäische Bankenaufsicht vorstellen. Einige Details des Vorschlags sind durch ein Interview von Kommissar Barnier in der Süddeutschen Zeitung bereits bekannt geworden. Demnach soll die EZB eine wichtige Rolle innerhalb einer europäischen Bankenaufsicht übernehmen.
Die EZB hat zusammen mit den nationalen Zentralbanken bereits bekräftigt, dass sie bereit ist, als Aufsichtsbehörde Verantwortung zu übernehmen.
Das ist bei manchen auf Unverständnis gestoßen. Einige meinen, eine Zentralbank sollte sich grundsätzlich aus der Einzelinstitutsaufsicht heraushalten. Zu groß sei der Interessenkonflikt, zum Beispiel einen Geschäftspartner von geldpolitischen Operationen am Leben zu erhalten, obwohl eine Abwicklung notwendig wäre. Andere befürchten eine Machtkonzentration bei der EZB als europäischer Superbehörde.
Wir sind uns dieser Befürchtungen sehr wohl bewusst. Deshalb wird die EZB Aufgaben bei der Aufsicht nur übernehmen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind:
Erstens muss das vorrangige Ziel der Preisstabilität unangetastet bleiben. Die Geldpolitik muss von der Bankenaufsicht nach außen und nach innen organisatorisch und auch personell getrennt werden. Mittel dazu sind chinesische Mauern und die Schaffung eines neuen Entscheidungsgremiums neben dem EZB-Rat, das für alle Aufsichtsaufgaben zuständig ist. Fakt ist, dass schon heute 14 der 17 nationalen Zentralbanken des Euroraums Aufsichtsaufgaben haben.
Zweitens wird die EZB darauf achten, dass ihre Unabhängigkeit in keiner Weise beinträchtig wird. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass Aufgaben der Bankenaufsicht der parlamentarischen und gerichtlichen Kontrolle unterstehen müssen. Denn Bankenaufsicht ist hoheitliches Handeln, durch das in Grundrechte der Betroffenen eingegriffen werden kann. Wir stehen den notwendigen Rechenschaftspflichten einer europäischen Bankenaufsicht bei der EZB aufgeschlossen gegenüber. Dies gilt sowohl gegenüber dem europäischen Parlament also auch gegenüber dem Ministerrat der EU.
Drittens muss das Gesetz die EZB mit allen Instrumenten ausstatten, die notwendig sind, um die Aufgaben einer Bankenaufsicht effektiv ausüben zu können. Es muss der EZB möglich sein, den reichen Erfahrungsschatz und das technische Knowhow der nationalen Zentralbanken zu nutzen. Denn klar ist, dass viele Aufsichtsaufgaben auch morgen nur vor Ort ausgeführt werden können. Gleichzeitig muss eine einheitliche Umsetzung der europäischen Richtlinien sichergestellt werden. Von besonderer Bedeutung ist vor allem der direkte Zugang zu allen notwendigen Informationen über die beaufsichtigten Institute, wie beispielsweise Prüfungsberichte über bankgeschäftliche Prüfungen oder Auswertungsberichte zu Jahresabschlüssen. Die EZB muss darüber hinaus über ausreichende Eingriffsrechte verfügen und, wie schon erwähnt, das Recht haben, nicht lebensfähige Banken notfalls zu schließen. Ohne diese Mindestausstattung wird die EZB aus meiner Sicht keine Verantwortung übernehmen, denn das Risiko für den Ruf der Institution wäre zu groß, das Reputationsrisiko liegt alleine bei uns. Bis zur Umsetzung der Kommissionsvorschläge müssen neben diesen Aspekten eine ganze Reihe wichtiger Gestaltungsfragen geklärt werden.
Wie würde die Aufgabenteilung zwischen der EZB und den anderen europäischen Aufsichtsbehörden – insbesondere der Europäischen Bankenbehörde (EBA) – aussehen? Denkbar wäre es aus meiner Sicht, dass die EBA weiterhin für die Weiterentwicklung des „Single Rulebook“ im Binnenmarkt der EU 27 zuständig ist.
Wird die europäische Bankenaufsicht nur die Banken der Eurozone oder der ganzen EU beaufsichtigen? Eine funktionierende Finanzmarktunion ist vor allem ein Anliegen der Währungsunion. Aus dieser Sicht wäre ein Fokus auf die Institute des Euroraums sinnvoll. Nicht-Euro-Staaten sollte es aber frei stehen, ihre Institute ebenfalls der europäischen Aufsicht zu unterstellen.
Wird es um Banken jeder Größenordnung gehen oder nur um die systemisch relevanten? Aus meiner persönlichen Sicht ist es sinnvoll, zumindest anfangs die europäische Aufsicht auf die europaweit und national systemisch relevanten Institute zu begrenzen. Zum Jahresanfang 2013 eine Aufsicht über alle Banken des Euroraums zu organisieren, ist weder zielführend noch darstellbar. Wichtig ist, dass die europäische Aufsicht auch operational zu einer effizienten Aufsicht von Anfang an in der Lage ist.
Wie sieht die Arbeitsteilung zwischen der EZB und den nationalen Behörden aus? Bei der operativen Arbeitsteilung stehen wir vor einer Kernherausforderung. Zum einen muss die Expertise vor Ort maximal eingesetzt werden. Gleichzeitig muss aber auch ein einheitlicher Aufsichtsstandard im ganzen Euroraum gewährleistet ist – nicht zuletzt auch damit für die Banken selbst das System nicht noch weiter verkompliziert wird. Das könnte erreicht werden, wenn pro Institut ein gemischtes Aufsichtsteam aus nationalen und europäischen Experten gebildet würde. Dieses Team könnte auch als einheitlicher Ansprechpartner gegenüber der Bank fungieren. Die europäische Aufsicht müsste die Möglichkeit haben, die tagtägliche Aufsicht über kleinere Institute an die nationalen Behörden zurückzudelegieren. Einzelne Fälle müsste sie aber ohne Weiteres wieder an sich ziehen können. Zwar muss der ESM möglichst bald in der Lage sein, Banken direkt zu rekapitalisieren. Es geht aber auch darum, die Dinge richtig zu machen und nicht unter Zeitdruck halbfertige Lösungen festzuschreiben. Ich möchte auch daran erinnern, dass eine Finanzmarkunion alleine die Krise nicht lösen kann. Selbst eine optimal aufgestellte Finanzmarktunion könnte nicht dafür sorgen, dass der griechische Haushalt ins Gleichgewicht kommt oder sich die Wettbewerbsfähigkeit Portugals erhöht. Denn Gründe für die Krise sind auch in den Bereichen der gemeinsamen Haushaltspolitik und Wirtschaftspolitik zu suchen. Europa muss sich jetzt entscheiden. Entweder wir vollenden die Integration des Euroraums, indem wir bei Finanzmarktpolitik, Haushaltspolitik, Wirtschaftspolitik und demokratischer Kontrolle Souveränität mit Europa teilen. Oder wir entscheiden uns für den anderen Weg, ein dezentralisiertes Europa. Das bedeutet dann aber auch, dass wir die großen wirtschaftlichen Gewinne, die uns Währungsunion und Binnenmarkt gebracht haben, aufs Spiel setzen. Um das zu vermeiden, sollten wir die Architektur der Wirtschafts- und Währungsunion vollenden. Dazu sind neben der Finanzmarktunion noch drei weitere Bausteine unverzichtbar:
Eine Fiskalunion
Eine echte Wirtschaftsunion
Eine demokratisch legitimierte politische Union
Diese vier Bausteine gehören zusammen und bedingen einander. Fortschritte in nur einem der vier Bereiche werden nicht ausreichen, alle vier Aspekte sind für ein Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion, sind für die Zukunft eines stabilen Euros unverzichtbar.
Meine Antwort in dieser Situation ist eindeutig: Mehr Europa, ein besseres Europa. Aber nicht als Selbstzweck. Sondern als der Weg, der Europas Bürgern Wohlstand, Freiheit und Sicherheit in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts sichert.
Meine Damen und Herren,
Ihre Tagung steht unter dem Motto „Banken im Umbruch“. Auch die institutionelle Architektur der Eurozone ist derzeit „im Umbruch“. Damit dieser „Umbruch“ ein „Aufbruch“ wird, hin zu einer stabilen, prosperierenden und vertieften Währungsunion, brauchen wir eine breite Diskussion – auch hier und jetzt gleich mit Ihnen. Darauf freue ich mich.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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