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Die Krise im sechsten Jahr – was bleibt zu tun?

Rede von Jörg Asmussen, Mitglied des Direktoriums der EZB,auf der Konferenz „Die Bankenunion: Wie lässt sich das Monster zähmen?“, organisiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung,Berlin, 18. März 2013

Sehr geehrte Damen und Herren,

Vielen Dank für die Einladung zu dieser Tagung. Das Thema Bankenunion steht derzeit weit oben auf der politischen Agenda und das ist gut so, denn Europa braucht eine breite Debatte über die langfristigen Strategien zur Krisenbewältigung.

Die Bankenunion ist dabei zwar ein wichtiger, aber eben auch nur ein Aspekt, womit ich beim eigentlichen Thema dieses Panels bin: „Die Krise im sechsten Jahr – was bleibt zu tun?“

So mancher wird sich die Frage stellen, ob man überhaupt noch von Krise sprechen kann? Oder sind wir bereits in eine neue Normalität eingetreten?

Die Krise ist jedoch kein Naturereignis, dem Europa hilflos ausgesetzt ist. So wie die Krise die Folge politischer Entscheidungen und regulatorischer Defizite war, so können entschlossenes politische Handeln und verbesserte Regeln auch aus der Krise herausführen.

Die Eurozone hat dabei in den zurückliegenden 15 Monaten beachtliche Fortschritte erzielt. Aber – um die Frage des Panels aufzugreifen – einiges ist in der Tat noch zu tun. Ich möchte im Folgenden auf drei Aspekte eingehen, die mir besonders wichtig erscheinen:

Erstens, die Vollendendung der Bankenunion. Zweitens, Kurs halten auf dem Weg zu gesunden Staatsfinanzen, sowie drittens, die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa.

Vervollständigung der Bankenunion

Die EZB hat mit ihrer geldpolitischen Maßnahmen einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Eurozone geleistet. Die Fragmentierung der europäischen Finanzmärkte ist seit dem vergangenen Sommer zurückgegangen, aber sie ist immer noch spürbar vorhanden.

Innerhalb der Eurozone haben sich die sogenannten Target2-Salden, gewissermaßen das Fieberthermometer der Finanzmarktfragmentierung, stark verringert.

Auch die Tatsache, dass die Banken 225 Milliarden Euro, die sie von der EZB über die beiden langfristigen Refinanzierungsgeschäften (LTROs) erhalten haben, vorzeitig zurückgezahlt haben, ist ein weiteres positives Signal in diese Richtung.

Ein einheitlicher europäischer Finanzmarkt, der Wirtschaftswachstum und Beschäftigung effizient finanzieren kann, benötigt einheitliche Rahmenbedingungen, deren Einhaltung auch einheitlich überwacht wird. Darum geht es bei der Bankenunion.

Mit der Umsetzung von Basel III vervollständigen wir das einheitliche Regelwerk. Verbesserte Eigenkapitalvorschriften sind die Grundlage für ein stabiles Bankensystem, das der Realwirtschaft dient. Ich erwarte, die formelle Einigung über die CRD IV Richtlinie in Kürze und damit ist die Verabschiedung durch Rat und Parlament endlich in greifbare Nähe gerückt.

Die EZB wird künftig als Europäische Bankenaufsichtsbehörde sicherstellen, dass diese Regeln auch einheitlich angewendet werden. Ich hoffe, dass auch dieses Gesetzgebungsverfahren so bald wie möglich abgeschlossen werden kann, damit die Vorbereitungsarbeiten zum Aufbau der neuen Aufsicht zügig vorangebracht werden können und die Bankenaufsicht bei der EZB planmäßig zum März 2014 ihr Arbeit aufnehmen kann, und zwar unter parlamentarischer Kontrolle des Europäischen Parlaments.

Die Vervollständigung des „single rulebook“ und die Schaffung einer europäischen Bankenaufsicht bei der EZB reichen zur Schaffung einer echten Bankenunion aber noch nicht aus.

Damit die europäische Bankenaufsicht effizient und glaubwürdig arbeiten kann, muss auch für den Extremfall vorgesorgt sein: die Restrukturierung von angeschlagenen Instituten und die geordnete, länderübergreifende Abwicklung nicht-lebensfähigen Banken müssen glaubhafte Szenarien sein, um die too-big-to-fail Problematik endlich in den Griff zu bekommen.

Klare Regeln für ein „bail-in“ von Gläubigern sollen in Zukunft verhindern, dass die Lasten einer Bankenrettung immer durch den „bail-out“ externalisiert werden und letztlich den Steuerzahler treffen. Für die Verabschiedung der Bankensanierungs- und Abwicklungsrichtlinie hat der Europäische Rat als Ziel „vor Juni 2013“ vorgegeben. Es ist wichtig, dass diese Zielvorgabe eingehalten wird.

Aber auch das neue Abwicklungsregime wird für sich genommen noch nicht ausreichen, um die zu enge Verflechtung von Bankensektor und Staatshaushalten zu durchbrechen. Wir brauchen hierzu auch eine europäische Abwicklungsbehörde mit einem Abwicklungsfonds, der von den Banken durch Abgaben selbst finanziert wird. Was die institutionelle Ausgestaltung angeht, so wäre meines Erachtens eine Angliederung der neuen Abwicklungsbehörde an den ESM eine gute Wahl.

Die europäische Bankenaufsicht bei der EZB muss mindestens um diese beiden Elemente ergänzt werden, damit wir eine wirkungsvolle Bankenunion in Europa erreichen.

Kurs halten bei der Sanierung der Staatsfinanzen

Neben der Vollendung der Bankenunion dürfen wir auch mit den Anstrengungen in der Fiskalpolitik nicht nachlassen. Das ist nicht zuletzt auch eine Frage der Generationengerechtigkeit.

Hier wurden zweifellos große Fortschritte gemacht, auch und gerade in den sogenannten Peripherieländern. Laut Kommissionsprognose [1] wird das nominale Haushaltsdefizit der Eurozone dieses Jahr erstmals seit Krisenanfang mit minus 2,8% des BIP wieder unter die 3%-Defizitmarke fallen.

Wenn man hierbei die Ausgaben für den Schuldendienst herausrechnet, wird die Eurozone erstmals seit Beginn der Krise wieder einen positiven Primärsaldo (+ 0,4% BIP) haben.

Allerdings bestehen weiterhin große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten [2]. Selbstzufriedenheit wäre daher fehl am Platz.

Auch das fiskalpolitische Regelwerk wurde entscheidend verbessert. Der Fiskalpakt sollte nun zügig von den Vertragsparteien umgesetzt und angewendet werden. Mit der Verzögerung im Bundesrat sendet Deutschland hier kein gutes Signal. Das finde ich umso bedauerlicher als der Vorschlag für einen Fiskalpakt ursprünglich aus Deutschland kam und Deutschland mit der Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz als Vorbild gedient hat.

Schließlich müssen bestehende Regeln auch ihrem Geist nach gelebt werden. Die Verschiebung von Zieldaten für die Erreichung vereinbarter fiskalpolitischer Ziele im Defizitverfahren muss der gut begründete Ausnahmefall bleiben und sendet grundsätzlich kein gutes Signal. Auch die Idee, bestimmte Staatsausgaben bei der Defizitberechnung unberücksichtigt zu lassen, halte ich für verfehlt, denn dadurch wird zu viel Interpretationsspielraum eröffnet, der zur Verunsicherung von Investoren, Unternehmen und Bürgern führt.

Wettbewerbsfähigkeit stärken

Die Krise hat uns die Bedeutung von Wettbewerbsfähigkeit für das Funktionieren einer Währungsunion deutlich vor Augen geführt. Das war bislang ein blinder Fleck im Regelwerk, das zu einseitig auf die Einhaltung fiskalischer Zielvorgaben ausgerichtet war.

Auch hier ist der notwendige Anpassungsprozess bei Weitem noch nicht abgeschlossen und es bleibt viel zu tun. Die Arbeitslosigkeit in der Eurozone soll laut Kommission 2013 im Durchschnitt auf 12,2% ansteigen. In einzelnen Ländern liegt sie deutlich über diesem Wert – in Griechenland und Spanien ist mehr als ein Viertel der erwerbstätigen Bevölkerung ohne Arbeit, in Spanien sind sechs von zehn Jugendliche arbeitslos. Das kann auf Dauer keine Gesellschaft verkraften.

Der Europäische Rat hat sich letzte Woche mit der Wettbewerbsfähigkeit und dem Problem der Arbeitslosigkeit befasst und auf die wichtige Rolle der nationalen Reformprogramme hingewiesen.

Auch bei den Strukturreformen geht es um die Frage, wie man europäische Ziele verbindlich umsetzen kann. Ein Vorschlag, der dazu auf europäischer Ebene diskutiert wird, sind sogenannte Reformverträge zwischen der EU und den einzelnen Mitgliedstaaten.

Entscheidend ist hier aus meiner Sicht, dass sich die Mitgliedsländer auf verbindliche und überprüfbare Ziele festlegen und im Gegenzug gezielte finanzielle Unterstützung erhalten könnten.

Abschließende Bemerkungen

Gerade angesichts der Rekordarbeitslosigkeit in Teilen Europas wird in jüngster Zeit wieder die Diskussion um fiskalische Konsolidierung versus Wachstum geführt. Das ist kein Gegensatz, wir brauchen Beides. Es wäre illusorisch zu denken, dass wir ein Schuldenproblem mit immer weiteren Schulden bekämpfen können, denn ein zu hoher öffentlicher Schuldenstand hat negative Auswirkungen auf das Wachstum.

Was jetzt unmittelbar zu tun bleibt, um die Krise zu überwinden, habe ich versucht zu umreißen: Die Bankenunion rasch und umfassend implementieren und dabei nicht bei der Bankenaufsicht stehen bleiben. Weiter Kurs halten auf dem Weg der fiskalischen Konsolidierung und schließlich die strukturellen Defizite in Europa angehen, denn Wachstum kann nur aus verbesserter Wettbewerbsfähigkeit heraus entstehen.

  1. [1]Europäische Kommission, Winterprognose 2012-14

  2. [2]Deutschland (-0.2%) und Irland (-7.3%) stehen dabei 2013 laut Prognose an den Eckpunkten der nominalen Defizitskala in der Eurozone.

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